Geschichte
Mehr als 900 Jahre alt, knapp 29 000 Einwohner, eine große Palette kleiner und mittelständischer Betriebe, Sitz einer blühenden Hochschule und eine liebevoll sanierte Altstadt – all dies erwartet die Besucher von Köthen. Die Stadt liegt mitten im Herzen Anhalts, eines ehemaligen Fürsten- und Herzogtums, welches vor einigen Jahren mit seinem 800. Jubiläum einmal mehr in das Bewusstsein der Einwohner gerückt wurde.
Ackerbürger waren es, die jene Siedlung bewohnten, die 1115 erstmalig als „Kotene“ erwähnt worden ist. Verbunden war diese erste Nennung mit einem kriegerischen Ereignis, Graf Otto der Reiche schlug einen Angriff plündernder Elbslawen zurück. Die Siedlung bestand zu dieser Zeit mutmaßlich schon einige Zeit, die Böden waren sehr ertragreich und es gabelte sich eine wichtige Handels- und Pilgerroute genau dort in zwei Richtungen, wo heute der Köthener Marktplatz ist. Die dort stehende Jakobskirche war Anlaufpunkt vieler Pilger auf ihrem Weg nach Santiago de Compostella. Zunächst ein kleiner romanischer Bau, zeigte sich das Selbstbewusstsein der städtischen Bürger im Bau der heute noch zu sehenden spätgotischen Hallenkirche ab 1400. Über einhundert Jahre später war der Kraftakt beendet, allerdings stürzte der als groß und beeindruckend beschriebene Turm 1599 ein und erst knapp 300 Jahre später konnten jene 70 Meter hohen Zwillingstürme errichtet werden, die heute die Silhouette Köthens prägen.
Nachdem seit dem Mittelalter Fürsten in Köthen residierten, wurde das Jahr 1547 zur Zäsur. Das Schloss brannte durch die Nachlässigkeit eines trunkenen Bäckergesellen nahezu vollständig nieder und der damalige Schlossherr, Fürst Wolfgang, kämpfte mit dem Schmalkaldischen Bund gegen den katholischen Kaiser Karl V. Der als „Bekenner“ von der evangelischen Kirche Gefeierte verlor nach der Niederlage in der Schlacht am Mühlberg für fünf Jahre sein Land und stand unter Reichsacht.
Köthen jedoch war und blieb lutherisch und ging Ende des 16. Jahrhunderts zum reformierten Glauben über, was für manche geschichtliche Persönlichkeit - wie beispielsweise Johann Sebastian Bach - nicht ganz unproblematisch werden sollte. Der ab 1606 regierende Fürst Ludwig erwies sich als pragmatischer und gebildeter Herrscher. Mit Engagement und Herz führte er das Köthener Land durch den 30-jährigen Krieg und machte Köthen zu einem kulturellen Zentrum im deutschsprachigen Raum. Als Oberhaupt der seit 1617 bestehenden Fruchtbringenden Gesellschaft, der ersten barocken Sozietät zur Pflege und Reinerhaltung des Deutschen, leistete er einen bedeutenden Beitrag zur Entwicklung der heutigen Sprache.
Die Geschichte des 18. Jahrhunderts in Köthen ist wesentlich geprägt von Johann Sebastian Bachs Zeit als Hofkapellmeister bei Fürst Leopold von Anhalt-Köthen. Während Bach hier seine nach eigenem Bekunden glücklichsten Jahre verlebt, florieren in der 3 000 Seelen zählenden Stadt neben dem Ackerbau auch Handwerksbetriebe und Manufakturen, werden Gold- und Silberwirkwaren ebenso hergestellt wie Fayencen. Zum Ende der Barockzeit ist der Flachsanbau unter Fürst Carl George Lebrecht ein wichtiges Standbein. Auch durch Köthen ziehen nach den Niederlagen des deutschen Adels gegen Napoleon die Schillschen Reiter. August Christian Friedrich wird von Napoleon zum Herzog gemacht. Die letzten Jahre der Köthener Herrscher sind sowohl von Fortschritt als auch von drückender Schuldenlast gekennzeichnet. 1821 beruft Herzog Friedrich Ferdinand, der durch seinen Übertritt zum katholischen Glauben für Aufregung unter den Landeskindern sorgte, Samuel Hahnemann nach Köthen. Der Begründer der Homöopathie lebt und forscht 14 Jahre in der Wallstraße, sein Wohnhaus macht die Stadt heute zum Mekka für Homöopathen aus der ganzen Welt.
Johann Friedrich Naumann, ein Bauer aus Ziebigk bei Köthen, begründet für Mitteleuropa ebenfalls eine Wissenschaft, die Ornithologie. Seine 1835 im Schloss aufgestellte Sammlung ist erhalten und bildet den Grundstock für ein weltweit einzigartiges Museum. Kurz danach verdankt Köthen der Weitsicht des letzten Herzogs Heinrich, dass die kleine Stadt der erste Eisenbahnknotenpunkt in deutschen Landen ist. Durch die Eisenbahn und die Entwicklung in der Landwirtschaft entsteht nun auch großflächig Industrie, werden die Grundsteine für jene Betriebe gelegt, die heute im Bereich Kranbau und Kesselbau auch international sehr gut im Geschäft sind. Bis zum 1. Weltkrieg wächst Köthen unaufhörlich, florieren vor allem die kleinen und mittelständischen Betriebe. 1891 wird das Friedrichs-Polytechnikum begründet, die spätere Gewerbehochschule und heutige Hochschule Anhalt. Nach Depression und Krise wird Köthen im Dritten Reich wieder Garnisonsstadt samt fortschrittlicher Luftnachrichtenschule, Flugzeugmotoren werden in großen Industrieanlagen gebaut, die Stadt platzt förmlich aus allen Nähten. Auch hier brennt 1938 die Synagoge, die jüdische Bevölkerung fällt fast ausnahmslos dem Holocaust zum Opfer. Kaum zerstört, wird die Stadt nach dem Krieg Standort der Schwerindustrie. Die Rote Armee verließ das Köthener Land 1993, die Schwerindustrie hat die Wende überstanden, wenn auch nicht in den gigantischen Ausmaßen wie früher. Die heutigen Köthener Gewerbe sind gut am Markt platziert und die Hochschule Anhalt mit ihren knapp 7 000 Studenten aus fast 100 Nationen ist nach wie vor ein wesentlicher Lebensnerv der Stadt.